Herzinsuffizienz und SGLT-2-Inhibitoren: mehr Evidenz
Im Rahmen von Sicherheitsstudien hatte man überraschenderweise festgestellt, dass die «sodium-dependent glucose transporter»(SGLT)-2-Inhibitoren (sog. «Flozine») zu einer verminderten kardiovaskulären Mortalität führten. Die Hauptgrund lag nicht in einer relevanten Reduktion von Schlaganfällen oder Herzinfarkten, sondern in einer Reduktion der Dekompensation von Herzinsuffizienzen. Diese Befunde werden nun durch eine Kohortenstudie, die auf dem skandinavischen Krankenregister beruht, bestätigt. Etwa 21 000 Patient(inn)en unter neu begonnener Therapie mit SGLT-2-Hemmern wurden während 3,5 Jahren mit ebenso vielen Patient(inn)en verglichen, bei denen neu eine Dipeptidyl-Peptidase-Hemmung (DPP4-Inhibitoren) angefangen wurde. Das mittlere Alter betrug 61 Jahre, 60% der Studienteilnehmenden waren Männer, 20% der Gesamtkohorte wies vorbestehende kardiovaskuläre Ereignisse auf. Die Einnahme von SGLT-2-Inhibitoren war im Vergleich zu den DPP4-Hemmern mit einer Abnahme von Herzinsuffizienz und Gesamtmortalität assoziiert. Keine Unterschiede ergaben sich jedoch in der Häufigkeit von akuten Koronarsyndromen oder ischämischen Hirninsulten.
Der Wirkungsmechanismus auf die Herzinsuffizienz ist nach wie vor Gegenstand einer Debatte: Sind SGLT-2-Hemmer einfach neue (teure) Diuretika oder wirken sie via stimulierte Ketogenese und stellen dem versagenden Herzen dessen wichtigste Energieträger, nämlich Ketokörper, zur Verfügung? Kurz und bündig wird diese zweite Möglichkeit favorisiert. Was wiederum die Frage nach deren Wirkung auch bei nichtdiabetischen herzinsuffizienten Patient(inn)en aufwirft.
Dass die gegenwärtige Opiatkrise auch durch (zu) liberale Verordnungspraktiken bedingt sein könnte, wird durch einen Ländervergleich von Opiatverschreibungen unterstrichen. Bei chirurgischen Eingriffen mit sogenannt niedrigem Risiko (Gallenblasen- oder Appendixentfernung, Meniskusoperationen sowie Entfernung eines Mammatumors) wurden in Kanada und den USA insgesamt in etwa 75% aller Fälle Opiate verschrieben, während man in Schweden mit etwa 10% über die Runden kam! Die Verteufelung aller Schmerzen und die Forderung einer umfassenden Schmerzkontrolle als sakrosankter Behandlungsstandard haben unseres Erachtens dazu beigetragen. Dies auch weil diese zu einem Vergleich der Behandlungsqualität zwischen Spitälern verwendet wird, die Spitäler daher auch hier besser als andere dastehen wollen. Wir reden nicht einer schlechten Schmerzkontrolle das Wort, aber hoffen, dass diese bedenkliche Entwicklung in der Durchsetzung anderer – ja nennen wir sie so – Überwachungsstandards Berücksichtigung (Mässigung) findet.
Ist etwas gut, ist mehr nicht unbedingt besser – zum Ersten
In einer relativ kleinen, aber sehr sorgfältig durchgeführten, doppelblinden, prospektiven Studie führten die vielerorts empfohlenen höheren Dosen von Vitamin D3 (konkret wurden tägliche Dosen von 4000 und 10 000 U mit 400 U verglichen) zu einer Abnahme des Knochenvolumens und der berechneten Widerstandskraft des Knochens [1]. Die Beobachtungszeit betrug drei Jahre. Die Analyse erfolgte mittels peripherer, quantitativer Computertomographie an Tibia und Radius. Traurig an dieser Geschichte ist, dass die knochenresorbierende Wirkung höherer Dosen von aktiven Vitamin-D-Metaboliten seit bald 50 Jahren bestens bekannt ist [2, 3]. In der (abflauenden) Vitamin-D-Euphorie wurden diese Befunde ignoriert. Selbst die Autor(inn)en der aktuellen Studie zitieren diese Publikationen nicht, obwohl sie dabei eine Steilvorlage für die Erklärung ihrer Resultate erhalten hätten …
Auch bei der Multiplen Sklerose werden Patient(inn)en nicht selten höhere Vitamin-D-Dosen verordnet. In einem experimentellen Mausmodell für Demyelinisierungserkrankungen des Zentralnervensystems (experimentelle autoimmune Enzephalitis [EAE]) wurde überraschend Folgendes gefunden: Mäuse unter hoher Vitamin-D3-Zufuhr, resultierend in Serumspiegeln des 25(OH)D von um die 200 nmol/l, entwickelten eine fulminante Exazerbation der Enzephalitis mit massiver Infiltration durch T-Zellen (TH1 und TH17).
10-Jahres-Verlauf: Koronare Bypass-Chirurgie vs. Koronardilatation/Stentversorgung
Fast je 900 Patient(inn)en mit entweder 3-Gefässerkrankung oder linker Hauptstammerkrankung wurden mit einem über 90% vollständigen Follow-up über zehn Jahre beobachtet. Die Zuordnung erfolgte prospektiv mit einer 1:1-Randomisierung. Der Stent war einer der ersten Generationen (Paclitaxel-beschichtet). Die Gesamtmortalität bei 3-Gefässerkrankung erwies sich als signifikant tiefer nach Bypass-Chirurgie als nach Dilatation/Stenteinlage (21 versus 28%). Kein Mortalitätsunterschied zwischen den beiden Methoden zeigte sich für die linke Hauptstammerkrankung. Somit bleibt die Bypass-Chirurgie Methode der Wahl für die indizierte invasive Therapie der 3-Gefässerkrankung. Die Dilatation/Stenteinlage bei linken Hauptstammstenosen stellt andererseits bei entsprechenden technischen und anatomischen Voraussetzungen eine Alternative zur Bypass-Chirurgie dar.
Laut einer finnischen Studie sollen die Kolonentleerung und präoperative Antibiose nicht besser als ein Verzicht auf diese Massnahmen bei elektiv planbaren Kolektomien sein. Die Operationszeiten lagen zwischen 180 und 240 Minuten, knapp 80% der Kolektomien wurden laparoskopisch vorgenommen. 209 Patient(inn)en wurden mit 2 l Polyethylenglykol (plus 1 l zusätzliche Flüssigkeit) und am Vorabend mit je 2 g Neomycin und Metronidazol (p.o., voneinander getrennt mit Abstand von 4 Stunden) vorbereitet. Es wurden keine signifikanten Unterschiede in der Frequenz von Anastomoseninsuffizienzen (beide Gruppen 4%) und Situs-Infekten (7% in der Vorbereitungsgruppe versus 11% in der Gruppe ohne Vorbereitung) gefunden. Statistisch nicht signifikant, aber auffällig war, dass in der unvorbereiteten Gruppe zwei Patienten innerhalb von 30 Tagen verstarben (1× gastrointestinale Blutung mit 2 Relaparatomien, 1× Aspirationspneumonie). Gerne würde man wohl diese Studienresultate bestätigt sehen, bevor die gegenwärtigen Richtlinien geändert werden.
Wegen ihrer beachtlichen Medienaufmerksamkeit soll auf zwei systematische Reviews hingewiesen werden, die keine Evidenz fanden, dass Haloperidol oder Neuroleptika der zweiten Generation (wie Risperidon, Quetiapin, Olanzapin u.a.) in der Lage wären, ein Delirium im Spital sowohl präventiv als auch therapeutisch positiv zu beeinflussen. In altmodischer Weise, nämlich geprägt durch langjährige Beobachtungen, gibt es kurz und bündige Vorbehalte gegen diese lapidare Schlussfolgerung. Die Heterogenität der Spitalsituationen, der Medikamente, deren Dosen und deren Komedikationen sind andere Gründe dafür. Gut an solchen Reviews ist, dass sie auf mögliche Lücken in der Evidenz hinweisen. Angesichts der enormen Bedeutung des Delirs ist eine Klärung der aufgeworfenen Frage wichtig und dringend.
Nicht ganz überraschend findet eine sogenannte «genome wide association study» (GWAS) unter Verwendung von genetischen Daten von fast 500 000 Menschen vorwiegend aus Grossbritannien (UK-Biobank-Daten), aber auch den USA und Schweden, dass die gleichgeschlechtliche Lebensführung nicht durch ein oder ein paar wenige Gene bedingt ist. Wie viele andere Verhaltenscharakteristika wird sie durch eine Vielzahl von Genvarianten mitgeprägt. Die Bedeutung der einzelnen oder Gruppen von Genvarianten ist im Einzelfall ungeklärt. Auch die Interaktion gewisser Genvarianten mit erworbenen, soziokulturellen und anderen Umwelteinflüssen ist unklar. Bemerkenswert an dieser Arbeit ist, dass die Resultate vor der definitiven Manuskriptverfassung und Publikation im Rahmen von Workshops unter anderem mit Beteiligung gleichgeschlechtlich lebender Menschen diskutiert wurde.
1855 beschrieb Thomas Addison eine später nach ihm benannte Insuffizienz der von ihm noch als «capsulae suprarenales» bezeichneten Nebennieren. Alle der sechs beschriebenen Patient(inn)en hatten eine Nebennieren-Tuberkulose. Der Terminus «Morbus Addison» wurde in der Folge aber nicht auf eine tuberkulöse Adrenalitis beschränkt, sondern auf alle Formen, heute meist eine (autoimmune) lymphozytäre Entzündung, ausgeweitet. Eine instruktive, kurze Review über die ersten 100 Jahre der Medizingeschichte der Nebenniereninsuffizienz ist nachstehend referenziert und frei zugänglich.
Postmenopausaler Hormonersatz und Mammakarzinomrisiko
Die «Collaborative Group on Hormonal Factors in Breast Cancer» hat prospektiv erhobene, publizierte Daten von Frauen mit postmenopausal diagnostiziertem Mammakarzinom zusammengestellt. Bei fast 109 000 Frauen wurde durchschnittlich im Alter von 65 Jahren ein Mammakarzinom diagnostiziert. Eine Reihe von In-vitro-Berechnungen musste wegen verschiedener Präparate, unterschiedlicher Expositionsdauer und anderem mehr durchgeführt werden. Diese zeigten einen fast linearen Effekt der onkogenen Nebenwirkung. Bei 5-jährigem Ersatz betrug die Häufigkeit bei Kombination von Östrogen/kontinuierlichem Gestagen 2%, bei Kombination von Östrogen/intermittierendem Gestagen 1,4% und bei reinem Östrogenersatz 0,5%. Alle Zahlen waren bei mindestens zehn Jahren Ersatz ziemlich genau verdoppelt.